Erinnerungen eines Enkels der Familie Maneles
David B., der Sohn von Erika Maneles, war zwei Mal als Kind mit seiner Mutter in ihrer einstigen Heimat. Im Oktober 2016 schrieb er seine Erinnerungen auf, die hier wiedergegeben werden sollen (Übersetzung des englischen Originals):
Leider habe ich wenig Informationen aus erster Hand um ein detaillierten Lebenslauf meiner Mutter, Erika, zu verfassen. Ich weiß aber, dass sie ihre Eltern sehr geliebt hat.
Ich glaube nicht, dass ich Fotos davon habe, als ich Laa vor vielen Jahren mit meiner Mutter besucht habe oder vom zweiten Besuch im Jahr 1967, als Moritz’ Krebs diagnostiziert worden war, an welchem er auch bald danach starb.
Eine kleine Anekdote: Die erste Reise nach Wien mit meiner Mutter, meinem Onkel Kurt und Tante Goldie war verrückt!
Kurt hat mir und meiner Mutter die ganze Zeit Witze erzählt, er vergötterte meine Mutter und sie ihn. Eines Abends gingen wir alle zum Abendessen und Kurt hatte sich Steak ausgesucht. Er kaute und kaute eine Stunde lang. Am Ende standen wir auf und verließen das Restaurant. Vor dem Ausgang kaute er immer noch. Ich fragte ihn, wieso er immer noch kaute. Er konnte nicht sprechen weil sein Mund so voll war. Also ging er zum Rinnstein, spuckte ein Stück Steak aus und verkündete, dass das Fleisch zu zäh sei.
Eine andere Erinnerung: Mein Großvater beschloss, meine Mutter und mich mit in die Berge zu nehmen, wo meine Mutter in einem Sommerlager gewesen war. […] Beachte, dass unser „Auto“ eine limettengrüne Vorkriegs-Limousine OHNE Sitze war, und von jemand von seinem Schrottplatz gefahren wurde. Also wies er diesen Arbeiter an, die Wohnzimmermöbel als Sitze in das Auto zu bringen und für die Tankfüllung Benzin zu bezahlen, ansonsten würde er ihn rauswerfen. Wir erreichten ein Restaurant und ich wollte eine Bestellung aufgeben. Der Kellner frage, was ich will und ich sagte „Suppe, Steak für 2 Personen (ich war mit 12 immer hungrig), Gemüse und Kartoffeln“. Der Kellner brachte das Steak und ich bat um die Suppe als ersten Gang. Der Kellner sagte, ich müsste zuerst das Steak essen, dann käme die Suppe. Daraufhin stand Opa Maneles auf und fing an, auf den Kellner einzubrüllen, dass er die Suppe sofort bringen solle. Der Kellner weigerte sich und die beiden schrien einander an, bis der Wirt dazukam und Opa Recht gab.
Opa beschloss, mit meiner Mutter und mir sein früheres Haus in Laa zu besuchen. Wir bestiegen den limettengrünen Panzer und fuhren zu dem Haus. Zwei ältere Personen rannten zu der hinteren Tür des Autos, wo Opa mit heruntergelassener Scheibe saß, und verbeugten sich. Ich hatte keine Ahnung, was da passierte. Er sagte ihnen, sie sollten abhauen und sie rannten weg. Er nahm mich an der Hand (12 Jahre alt) und meine Mutter an der anderen Hand, um uns Laa und das Haus zu zeigen. Zimmer für Zimmer erzählte er uns, dass Kurt hier schlief, Erika dort schlief, Wohnzimmer, das Zimmer des Kindermädchens usw. Wir gingen zu den Ställen, wo das Auto und die Kühe standen. Dann machten wir einen Spaziergang über das gesamte Grundstück, mit meiner Mutter und mir im Schlepptau, seine großen Hände haltend. Er erklärte alles auf Deutsch, meine Mutter übersetzte für mich, über 4 Stunden lang. Weiter ging es in die Stadt. […] Immer wenn Opa einem früheren Nazi begegnete, hielt er an, schrie etwas und spuckte ihn dann an. Das passierte mehr als ein Mal.
Als wir das letzte Mal in Wien waren, ich glaube 2007, besuchte meine Familie das Grab von Moritz Maneles auf dem jüdischen Friedhof, betete und legte Steine auf sein Grab.