Gerda Maneles – ein letzter Brief
Der folgende Brief von Gerda Maneles ging an ihre Schwester Erika, und so hat er die Zeiten überstanden. Ihrem Brief ist der ihres Verlobten angefügt. Sie finden den Brief – soweit er leserlich ist – hier abgedruckt. Er zeigt das Bild einer sehr lieben jungen Frau – fast schreibt sie wie ein junges Mädchen – die nicht bereit war, den Verlobten zurückzulassen, auch wenn sie mit den Eltern hätte fliehen können.
25. 10. 1940
Liebe kleine Erika,
… habe Deinen lieben Brief …
nicht vorstellen, wie ich mich darüber ….
wirst dich wundern, dass Dir die l. Mama nicht schreibt, aber Mama und Papa sind zu Kurti gefahren und ich bin hier bei Walter geblieben. ….. unsere Eltern weg. Der l. Walter war bei (seinen?) Eltern am Land und bekam das Telegramm zu spät. Er kam erst zur Abfahrt des Zuges und ich wollte ohne ihn nicht fahren. Wir werden wahrscheinlich in kurzer Zeit heiraten. Ich wohne bei Hirschenhausers, ich weiß nicht, ob Du sie kennst. Sie sind brave Leute. Liebes Erikerl, jetzt kann ich dich erst verstehen, wenn Du geschrieben hast, dass Dir nach den Eltern so bang ist. Ich bin jetzt in der selben Situation und empfinde es noch mehr, da Du immer viel tapferer und selbständiger warst als ich. Der l. Walterl ist so brav und gut zu mit und bemüht sich mir die Eltern zu ersetzen. Vom Kurti habe ich von Nen (?) 2 Karten. Ihm geht es G.s.d., so wie Dir sehr gut. Mama hat mir einige Male geschrieben, von dort allerdings noch nicht. …. wissen wir noch nicht, ob und wann wir fort werden. Walterli arbeitet bei der Kultusgemeinde und verdient ganz schön. Die Tante Olga ist noch hier, kümmert sich aber sehr wenig um mich. Der Fritz Mandl hat einen kleinen Buben, der ist sehr lieb und hübsch. Ich kann mir Dich schon nicht mehr vorstellen. Bist bestimmt schon sehr groß. Dem Bild nach sieht Du so aus wie der Kurtl. Was arbeitest Du? Hörst Du etwas von Kurtl? Ich möchte schon mit Euch wieder beisammen sein. Wann wird das sein? Liebe Erika schreibe bald, du bist jetzt die Einzige von der ich Nachricht habe. Schreibe mir ausführlich von allem was Du machst und arbeitest. Es küßt Dich tausende Male
Deine Gerda
…… (1 Zeile unleserlich)
Liebe Erika,
Wie Dir also l. Gerdli schreibt geht es uns ganz gut, bis auf eines und zwar ist uns beiden sehr bange nach den Eltern sowie nach Dir und Kurt. Doch hoffentlich werden wir auch bald fahren, sodass wir uns wieder alle treffen. Wir möchten Dich schon gerne einmal sehen. Uns ist nach Dir genauso bange wie Dir. Sonst fehlt es uns natürlich an nichts und wir sind sehr glücklich. Gerdili ist sehr brav zu mir und wir haben uns sehr lieb. Sicher wirst Du sehr überrascht sein, dass die Eltern schon fort sind, aber sie sind angeblich schon auf Ort und Stelle, so, dass wir ganz unbesorgt sein können. Also liebes Erikerl, ich weiss nicht was Dich sonst noch interessieren würde, darum will ich enden in der Hoffnung, dass Du den Brief in Ordnung erhältst, um dass Du Dir keine Sorgen zu machen brauchst. Lass Dir es sehr gut gehen und schreibe uns wieder bald.
Viele Grüsse sendet Dir Dein Walter
Gerda Maneles, Praha XI. Orebitska 18. c/o Hirschenhauser