Ein Kleinod

Die Sammelbüchse: Der einzige erhaltene Gegenstand aus der Laaer Synagoge

Viele Jahre sind vergangen, seit ich 1992 zum ersten Mal die ehemalige Synagoge von Laa an der Thaya betreten habe. Im Herbst 1992 kontaktierte ich die damaligen Besitzer des Hauses, ein älteres Ehepaar, und fragte sie um Erlaubnis, das Haus zu begehen, obwohl die Synagoge zu diesem Zeitpunkt nie abgeschlossen war. Sie erlaubten mir nicht nur, das Gebäude genau zu untersuchen, sondern fügten auch an, ich könne behalten, was immer ich darin finden würde, das von Interesse für mich sei.

Das Haus war damals in einem jämmerlichen Zustand. Große Risse klafften wie Wunden in den Wänden. Im ersten Stock, in dem sich die Synagoge befunden hatte, waren nach dem Krieg Wände eingezogen worden, doch die Farbe war abgebröckelt und so war die wohl ursprüngliche Farbe teilweise wieder sichtbar: rot mit einer schwarzen Zierleiste und eine blaue Decke.
Vom langgestreckten hölzernen Balkon des Innenhofs konnte man auf den völlig verwachsenen kleinen Garten hinabsehen. Dann gingen wir auf den Dachboden. Die vielen Eigentümer des Hauses hatten auch hier nichts zurückgelassen, er schien völlig leer. Doch der glückliche Zufall lenkte die Augen meiner Schwester auf die Ziegel, die lose daliegend die letzten Ritzen zwischen Dach und Hauswand – wohl gegenüber Vögeln – abschließen sollten. Einer der Ziegelsteine entpuppte sich als Kleinod aus alten Zeiten, das hier wie der Golem geschlafen hatte und nun entdeckt wurde: eine aufgebrochene Sammelbüchse. Erst zu Hause kamen unter dem Staub der Jahrzehnte Schriftzeichen zu Tage, schien der ockerfarbene Anstrich im wiedergewonnenen Tageslicht.

Sammelbüchse offen – Hinterseite der Sammelbüchse mit Bügel zum Anbringen an der Wand oder einem Einrichtungsgegenstand

„Matan Beseter“: Ein Geschenk im Stillen

Mit dieser Aufschrift mahnte die Sammelbüchse einst die Wohltätigkeit der Besucher der Synagoge ein. Es ist eine Mitzwa, eine Pflicht, Bedürftige zu unterstützen. Jene, die die Sammelbüchse einst aufbrachen und die Spenden raubten, konnten weder die Aufschrift lesen, noch hielten sie wohl viel von Gottes Gesetzen, die in allen Religionen den Respekt vor dem Mitmenschen einfordern. Die Sammelbüchse ist der einzige Einrichtungsgegenstand der Synagoge, der meines Wissens nach erhalten ist.

Seitenansicht der Synagoge (Aufnahme 2016)