Briefe

Briefe

Caracas, 19. III. 93

Liebes Frl. Magdalena!

Ihren l. Brief erhalten und mit Freude und Staunen den Inhalt zur Kenntnis genommen. Von Ihnen angegebene Namen sind mir Schmeikal bekannt, die ein Bürstenbinder Geschäft in der Venusgasse hatten.
In Laa war bis zu meiner Zeit ein Bethaus am 1. Stock. Unten war ein kleines Gasthaus, mehr Bierausschank. Das war [an der] Ecke, wo man zum Burgplatz ging, vis-a-vis die Mühle. Bevor Hitler Österreich besetzt hat, lebten dorten ca. 20 jüd. Familien. Und in Gaubitsch und Mailberg war je 1 Familie. Frau Ledermayer kann Ihnen genau die selbe Auskunft wie ich geben. Bin mit ihr in bester Freundschaft und brieflichem Kontakt.
Die jüd. Gemeinde Laa gehörte der Kultusgemeinde Mistelbach an, wo auch meine Großmutter Cilly Bloch begraben ist.
Mein Cousin, Ariel Naman aus Tel-Aviv, hat Ihnen Ihren Brief bereits beantwortet.
Verstehe nicht diese lügenhaften Informationen, von wem stammt das, in Laa hätten keine Juden gelebt. Gott sei Dank, dass leben die Zeugen, die das verneinen können.
Nun, liebe Magdalena, es ist zum Staunen, dass sich ein so junges Frl. wie Sie sich einer so anstrengenden Arbeit, der Nachforschung, interessiert.
Hoffe, Sie mit meinen Ausführungen zufriedengestellt zu haben!
Grüße Sie bestens und viel Erfolg mit Ihrer Arbeit.
Edith Fischbach

Miami, 29. V. 93

Liebes Frl. Magdalena!

Mit viel Freude Ihr schönes Photo mit Brief erhalten, so dass ich eine Vorstellung von Ihnen habe. Leben Sie in Laa und wieso kamen Sie dorthin?
Mein Cousin Ernst schrieb mir Tage bevor ich Ihr Schreiben bekam.
Nun die Beantwortung Ihrer Fragen.
Cäcilie Bloch war meine Großmutter väterlicherseits Jakob und Emilie Maneles mütterlich. Kannte nur Cäcilie und Jakob, der andere Teil lebte nicht mehr.

Grabstein am Mistelbacher jüdischen Friedhof

Kurt Maneles lebt in Antwerpen, hat eine koschere Bäckerei namens „Kleinblatt“ glaube ich, doch Arie / Ernst in Israel weiß genau den Namen.
Gerda ging mit ihrer Mutter auf der Fahrt nach Israel am Schiff unter. [Anm: Gerda starb im Holocaust, ihre Mutter starb als das Schiff Patria unterging.] Erika, die andere Tochter, lebte in Amerika, heiratete dorten. Sie hat in der Armee ihren Mann kennengelernt. Auch da kann Ihnen Arie Naman genaue Auskunft geben. Mein Onkel Moritz starb in Wien, nachdem er vorher nach Israel immigriert war. Gustav Maneles und auch Moritz waren Fruchthändler. Gustav war mit Cilli Brünner aus Mistelbach verheiratet.
Onkel Max Mann war Armenarzt der Gemeinde Wien. Er wohnte XVI Bz. Hoffer Platz 9.
Alles andere was Sie schrieben stimmt. Meine sel. Eltern Laura und Otto kamen laut dem Schreiben einer Cousine meiner Mama in Lodz 41 um.
Ich bekam im letzten Moment die Einreise nach Venezuela für diese, doch es war leider zu spät. Mit Frau Grete L. bin in Kontakt. Eine sehr nette Frau – war eine Nachbarin von uns.
Nun hoffe sind, Sie, liebes Frl., mit meinem Schreiben zufrieden. Möchte Näheres von ihrem privaten Leben wissen. Hoffentlich haben Sie noch eine angenehmere Beschäftigung als über die traurige Vergangenheit nachzuforschen.
Ich bin mit meinem Sohn hier in Miami bis 12. VI. Habe 3 Kinder. Dieser, der Jüngste, ist schon in Caracas geboren. Die 2 anderen kamen mit 2 ½ Jahre, die Tochter mit 9 Monaten nach Caracas. Hatte kein leichtes Leben weil mein Mann krank aus Dachau kam und war die letzten 3 Jahre nicht arbeitsfähig. Ich backte Bisquits und Honigkuchen. Nun meine Liebe, hoffe Sie mit meinen Ausführungen zufrieden und verbleibe mit vielen lieben Grüßen
Ihre Edith Fischbach

Caracas, 21.VI.93

Liebes Frl. Magdalene!

Ich war 2 Wochen in Miami und fand bei meiner Ankunft in Caracas Ihre l. Zeilen mit Beilagen vor. Ja, diese Lügen sind Wahrheit und mein sel. Vater musste auch die Straße in Laa putzen, obwohl er vor Hitler mit allen Goym ein Herz und eine Seele war. Meine Sel. Mama hatte einen Slogan „Jeder Goy hat unser Todes Urteil unterschrieben“
Es freut mich, dass Sie bei meinem Cousin Arie waren. Er ist ein goldener Mensch zu jedermann hilfsbereit. Er schrieb mir, Sie wollen Informationen über Frau Jlana Toch, Advokatens Witwe. Sie emigierte mit ihren beiden Buben, damals ca. 4 und 6 Jahre alt, Hans und Conrad. Hat in der Emigration schwer gearbeitet in Restaurants. In Cuba, Großinger, das ist ein Restaurant in den Bergen. 1 ½ Stunden von New York. Zum Schluss war sie Supervisora in einem Delikatessen Geschäft „Epicur“ in Miami. Habe 2 x dorten bei ihr als Gast geschlafen; sie wohnte in einem bescheidenen Zimmer und Küche. Seit 5 Jahren ca. war sie nicht mehr in Miami. Nehme an, dass einer von ihren Söhnen sie zu sich nahm und sie gestorben ist, denn sie war herzleidend.
Erna Hauser ist vor Hitler nach London gezogen, wo schon ihre Mutter lebte. Beide haben im Haushalt gearbeitet. Die Mutter, Berta Hauser, ist gestorben. Erna hat geheiratet einen Engländer, der nach paar Jahren verunglückte. Fand dann nochmals einen feinen ungarischen Emigranten von der Revolution 56. Erna starb im November werden es 3 oder 4 Jahre. Ging an Parkinson elend zugrunde. Der Mann stand ihr treu bis ans Ende zur Seite.
Nun hoffe Sie mit meinen Informationen zufrieden.
Wieso kamen Sie nach Laa? Gratuliere Ihnen zu Ihrem wunderbaren Aufsatz „die Lüge“. Wo haben Sie studierte, dass Sie so eine gute Journalistin sind, dazu sind Sie so jung. Hier kann man vor 22 Jahren damit nicht fertig sein.
Danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Wünsche Ihnen weiter viel Erfolg für Ihre Arbeit. Bitte grüßen Sie mir Gretel und Schwestern!
Recht viele herzliche Grüße an Sie
Ihre
Edith Fischbach

Caracas 13.VII 93

Liebes Frl. Magdalena!

Es war sehr nett von Ihnen mir das „jüdische Echo“ einzusenden. Bin dabei beim Lesen, sehr interessante Meinungen über die Situation. Wenn Sie das Buch in Englisch hätten, würde ich Sie bitten mir eines zu senden. Eine Freundin von mir, die nicht deutsch lesen kann, wäre daran interessiert. Für ihren prämierten Artikel „Die große Lüge“ glaube, dass ich mich dafür bedankte. Ich bewundere Ihre Geduld und Interesse in Ihrem Alter, solche Nachforschungen zu machen. Mit Grauen sieht man hier, was sich in Deutschland mit den Verfolgungen der Ausländer abspielt. Hier war vorige Woche ein Vortrag eines jüd. Geschichtsprofessor der Münchner Universität, mit dem Titel „Keine Angst vor dem Antisemitismus in Deutschland“. Er hat zum Teil sehr Deutschland verteidigt, das Publikum war über seine Ansichten empört. Besonders der Embajador von Israel und andere Personen haben ihm gut erwidert. Er ist mehr Deutscher als Jude war die Meinung der Leute. Er ist geboren in Israel, 56 Jahre, studierte in Berlin, lebt in München, heißt Wolfensohn. Ja, es gibt genug Juden, die keine sein wollen.
Es freut mich, dass Sie sich mit meinem Cousin so wohl fühlten. Er ist ein einmaliger Mensch.
Grüße Sie, wünsche Ihnen weiter viel Erfolg in Ihrer Arbeit.
Edith Fischbach