Das englische Original dieses Artikels wurde am Mittwoch, dem 2. 3. 1995 in der Bethesda Gazette (Vol. 7, No. 30) in Maryland – USA veröffentlicht.
Österreicherin findet Holocaust Überlebende
Christopher Flynne, Chefreporter
In einem Alter, in dem die meisten Teenager damit beschäftigt sind, auszugehen und herumzufahren, war die 16-jährige Magdalena Müllner von Synagogen fasziniert.
Müllner, eine Katholikin aus der österreichischen Stadt Laa an der Thaya, erzählte, dass sie vor drei Jahren durch die Kanäle klickte, als sie auf einen kurzen Beitrag stieß, der „Synagogen aus Niederösterreich“ hieß. Das Programm fesselte die Jugendliche, die nicht wußte, dass es in ihrer Heimatstadt einmal eine jüdische Gemeinde gegeben hatte.
„Ich fragte meine Mutter und Großmutter und selbst sie wussten nichts von einer Synagoge oder jüdischen Gemeinde, die eines Tages ein Teil von Laa waren,“ sagte Müllner. „Zumindest 50 Prozent der Laaer Bevölkerung – einer Stadt mit 4500 Einwohnern – wissen nicht, dass hier einmal eine jüdische Gemeinde existierte.“ Die Existenz von jüdischen Bürgern in der Stadt vor 1945 wird von vielen geleugnet.
Jetzt ist Müllner 19 und hat die letzten 3 Jahre damit verbracht, Recherchen über die jüdischen Familien, die dort vor dem Holocaust lebten, anzustellen. Sie hat ihre Leben nachverfolgt, nachdem sie Laa verließen. Es gibt nichts Schriftliches über die Juden, die einst in ihrer Heimatstadt gelebt haben. So stützt sich Müllner allein auf ihre Nachforschungen, auf Interviews, die sie mit jenen durchgeführt hat, die gewillt sind, sich an die ehemaligen jüdischen Bürger zu erinnern. Durch diese Interviews konnte sie eine Liste der Namen der jüdischen Bürger erstellen.
Sie konnte Adressen ausfindig machen und Briefe an diese Familien schreiben. Sie hat 14 ehemalige Bürger der Stadt ausfindig machen können, die nun in der ganzen Welt verstreut leben. Sie hat sie mit einander in Kontakt gebracht und hat Licht auf eine jüdische Gemeinde geworfen, die von den Geschichtsbüchern und der Geschichte der Stadt übersehen worden waren.
„Ich wollte nicht, dass diese Leute einen zweiten Tod durch das Vergessen-werden sterben sollten,“ sagte Müllner über ihre Bemühungen.
Felix Yokel aus Bethesda wuchs in der jüdischen Gemeinde von Laa auf, bevor Österreich ein Teil Hitlerdeutschlands wurde, er ging sogar in die Schule, die Müllner Jahrzehnte später besuchen sollte.
Er bekam Ende 1993 einen Brief von ihr. „Ich war durch ihre ehrlichen Bemühungen, unsere Geschichte zu dokumentieren berührt,“ sagte Herr Yokel, der Österreich 1938 verlassen und vor 1989 noch nicht zurückgekommen war. „Es ist bemerkenswert, wie viel sie in diesem jungen Alter erreicht hat.“
Frau Müllner hat mit den Mitgliedern der verschwundenen jüdischen Gemeinde nicht nur Briefkontakt gehalten, sie hat mehrere Überlebende auch persönlich getroffen, entweder wenn sie für einen Besuch nach Laa zurückkamen oder während ihrer Reisen nach Israel und Kalifornien.
Jetzt, als Erstsemestrige an der rechtswissenschaftlichen Fakultät an der Universität von Wien, führt Müllner ihre Suche nach anderen Überlebenden der jüdischen Gemeinde von Laa weiter und hält die Beziehungen aufrecht, die sie durch Briefe geknüpft hat.
So kam sie kürzlich nach Bethesda, um Felix Yokel und seine Frau Susan zu besuchen. Während ihres Aufenthalts wurde sie eingeladen, über ihre Recherchen und Ergebnisse im Holocaust Memorial Museum zu sprechen.
„Sie ist eine junge Dame mit viel Durchsetzungsfähigkeit,“ sagte Herr Yokel und fügte hinzu, dass ihr Besuch den Anstoß gegeben hat, dass er nun seine Lebensgeschichte für seine Kinder und Enkel aufschreibt. „Wie schätzen es sehr, was sie getan hat,“ sagt Susan Yokel.
Trotz des Lobs sieht Frau Müllner die größte Belohnung für ihre Arbeit darin, wie sie erklärt: „Es ist ein großer Teil meines Lebens geworden und auch wenn die Forschung manchmal Momente der Trauer oder des Zorns darüber mit sich bringen, wie Menschen sein können, so ist sie auch meine größte Freude geworden.“