Julius Kolb – eine Stimme aus dem Getto
Joseph hat mir folgenden Brief von Julius Kolb kopiert und geschickt, der wohl das letzte Dokument einer Weinviertler jüdischen Familie darstellt, die in ein Getto in Polen deportiert wurde und das Lager nicht überlebte. Sie finden hier zuerst den Brief im Original und dann die Abschrift (meine Anmerkungen in eckiger Klammer). Informationen über das Getto Modiborzyce kann man auf der Webseite des DÖW nachlesen. Der Schlüsselsatz: Von den 999 nach Modliborzyce Deportierten sind 13 Überlebende bekannt.
Seitlicher Briefkopf: Julius Kolb, Asparn, Post und Bahnstation Tulln, Telefon Sprechstelle Asparn
Gestrichener Vordruck: Asparn am,
Modliborzyce 30.3.41
Sehr geehrte Familie!
Heute schreibe aus Polen zum 2.ten und diesmal mit Weib und Kind. Wir sind nach 3täg. qualvoller Fahrt zusammengepresst ohne Klosett [das Wort „Klosett“ befindet sich in Klammern – Grund unklar] in einem von Kriege zerstörten poln Nest 17 km von der Bahn in der Nähe von Kraśnik. Wir wohnen 17 Personen auf Stroh schlafend in einem Raum von 25 Quadratmetern. Hier kostet ein kg Brot – schlecht – 80 Pfg. Wurst 1 kg 6 Mark, Milch kaum zu kriegen denn die Bauern haben auch nicht viel 50 Pfg., Butter 7 Mark … [unleserlich]. Wir werden in Arbeit im Wald, Straßenbau eingeteilt per Stunde 25 Pfg. der Tagesverdienst reicht auf 2 kg Brot hier. Man kann monatlich je Absender und je ein Empfänger 2 kg Lebensmittel senden. Brot, Mehl, Kaffeesurogate. Ich bitte die Asparner ab und zu ein Paket zu senden. Vielleicht an Ihren Sohn der mir es sendet oder direkt – den Gegenwert zahlt meine Schwägerin Rosa Freud, Wien 16. Friedrich Kaiserg. 39
Was gibt in Asparn Neues. Schreibt einmal. Ich musste so schnell weg von …[Wort unleserlich] dass konnte nicht an euch senden. Werkzeug und Fahrrad blieb in der Wohnung. … …[Wort fehlt] ist sehr brav. Leider keine Schule. Könnte viel schreiben, aber es geht nicht. Muss schliessen leider. Es grüßt euch alle herzlich
Familie Julius Kolb
Grüße alle Bekannten in [unleserlich]
Zeige Ihnen Brief.
Anmerkung Joseph: Trauriger Brief 1941 – ein Verwandter – ermordet bei den Nazi Horden