Der folgende Artikel stammt aus den „Weinviertler Nachrichten“ (Vorgänger der NÖN = „Niederösterreichische Nachrichten“) vom 7. August 1986, Nr. 32.
Vor nahezu 50 Jahren war er ausgewandert:
Joseph Kolb kam aus Kalifornien in seine Weinviertler Heimat auf Besuch
von Gerhard Weisskirchner
BAD PIRAWARTH / GAWEINSTAL. – „Ich fühle mich nach wie vor als Österreicher“, meinte der 83jährige pensionierte Geschäftsmann und US-Bürger Joseph Kolb, der drei Wochen lang auf den Wegen seiner Kindheit, Jugend und frühen Mannesjahren im östlichen Weinviertel ging. Der gebürtige Gaweinstaler war in Pirawarth Kaufmann, bis er 1938 mit seiner Gattin und seinem Sohn die Heimat verlassen mußte. Im Gespräch mit dem alten Herrn mit jugendlichem Aussehen wird eine gute Seite der alten Zeit lebendig: Die Feste und Feiern in der Familie und Gemeinde, der Sabbat, das Pessachfest, Jom Kippur – an diesem Tag dauerte der Gottesdienst in der Mistelbacher Synagoge vom Morgen bis zum Abend – , die Bar Mizwa, bei der der 13jährige Bub vor versammelter Gemeinde den Wochenabschnitt aus der Tora vorlas; der Großvater Albert Kolb, der der Pächter der Kollnbrunner Maut und 19 weitere Mautstellen im Viertel unter dem Manhartsberg war und 104 Jahre alt wurde; die große Toleranz des alten Österreich.
Im Gespräch mit Joseph Kolb erscheint aber auch eine böse Seite einer hoffentlich endgültig alten Zeit. Etliche seiner Geschwister und an die 50 weiteren Verwandten haben den Holocaust nicht überlebt. Auf die Frage, wann er wieder seine Weinviertler Heimatorte besuchen werde, antwortet Herr Kolb spontan: „Am liebsten in drei Monaten.“
Die Verbindung mit seinem Vaterland wird zwischen Österreich und Kalifornien, wo Joseph Kolb bis zu seiner Pensionierung ein Möbelhaus betrieb, nicht nur durch einen regen Briefverkehr mit ehemaligen Nachbarn aufrechterhalten, sondern auch seit Jahren durch Au-pair-Mädchen aus dem Weinviertel, die im Haus der Familie Kolb in den USA Aufnahme finden.