Jüdische Einrichtungen in Laa an der Thaya
Keine Glaubensgemeinschaft kann ohne religiöse Infrastruktur überleben. So braucht eine jüdische Gemeinde:
1) eine Synagoge oder einen Betsaal
2) einen Rabbiner und Kantor
3) Religionsunterricht
4) einen Schächter (der die Tiere so schlachtet, dass das Fleisch koscher ist)
5) einen Friedhof (da die Gräber für immer Bestand haben müssen)
1) Synagoge
Zu diesem Punkt finden Sie einen ausführlichen Artikel auf der Webseite. Sie können auch einen Buchausschnitt von Dr. Genee aus dem Jahr 1992 oder über den einzigen verbliebenen Einrichtungsgegenstand der Laaer Synagoge lesen.
2 – 4) Rabbiner, Kantor, Religionslehrer und Schächter
All diese Funktionen vereinten sich in der kleinen Gemeinde in einem Mann: Rabbiner Fischhof war der letzte Rabbiner, der in Laa lebte und mit all diesen Aufgaben betraut war. Danach wurde Laa an der Thaya durch andere Rabbiner mitbetreut. Einige der jüdischen Laaer, mit denen ich in Briefkontakt war, erinnerten sich noch gut an ihren Religionsunterricht. Ich möchte sie hier zu Wort kommen lassen.
„Religionsunterricht war Sonntag Vormittag in der Volksschule. Wir waren im Schulalter, als wir Religionsunterricht erhielten.“
(Brief von Hilda White, 27. 10. 1992)
„Wir bekamen von Herrn Fischhof jüdischen Unterricht, lernten etwas Hebräisch und auch Verschiedenes aus dem Alten Testament.“
(Brief von Kurt Maneles, 25. 11. 1993)
„Mein Religionsunterricht im Bundesrealgymnasium begann in der ersten Klasse. Er war vom österreichischen Staat gesetzlich gefordert und wurde wahrscheinlich vom Gymnasium bezahlt. Ich war der einzige Jude in meiner Klasse und es war deshalb ein Einzelunterricht.“
(Brief von Dr. Felix Yokel, 8. 11. 1993)
„Es waren Knaben und Mädchen zusammen mit Herrn Fischhof.
Das waren: Erika Maneles, Blau Heini, Elisabeth, meine Cousine, die 3 Jahre bei uns wohnte, und ich.
Erst als Herr Gelbhard aus Mistelbach kam – war so 10 Jahre alt – ging ich gerne zum Religionsunterricht. Glaube wir bekamen ein Klassenzimmer in der Schule, in der Synagoge war’s nicht, denn es gab eine schwarze Tafel mit Kreide, auf der wir Herrn Gelbhard zeichneten und sich über ihn lustig machten. Mal mit 2 Köpfen und mal mit riesiger Ausbuchtung auf der Hand, die er hatte.“
„Es wurde Hebräisch gelernt und auch die Bibel sowie Bedeutung der Feiertage. Glaube, 2 x wöchentlich.“
(Briefe von Karola Zucker 27. 10. 1992, 6. 1. 1993)
Was die Einhaltung der Speisegesetze betraf, so scheint der Erste Weltkrieg in vielen Familien eine Zäsur dargestellt zu haben. Man war froh, zu essen zu haben, koscher oder nicht war häufig nicht mehr so wichtig wie früher. Ich möchte zu diesem Thema nun auch einige ehemalige Laaer zitieren, um Ihnen einen Eindruck zu vermitteln.
„Der Religionslehrer war auch Schächter des Viehs, das von den frommen Juden benötigt wurde. Es ist ein spezielles Ritual und auch mußte er das Vieh untersuchen, ob alle Eingeweide gesund waren.
Meine Mutter hat während des 1. Weltkriegs mit den Speisegesetzen aufgehört, eigentlich nur mit dem geschlachteten Fleisch. Sie sagte immer, sie war froh, Fleisch zu bekommen, ob es koscher war oder nicht. Aber Milch und Fleisch wurden nicht gemischt. Zu unseren Pessachfesten wurde alles Geschirr gewechselt und kein Brot, sondern nur Mazzot gegessen.“
(Brief von Hilda White, 23. 4. 1993)
„Meine Eltern waren sehr religiös und haben koscher Haushalt geführt. Auch Feiertage streng gehalten! Nur im 1. Weltkrieg 1914 bis 1918 war es fast unmöglich koscher zu halten, aber die Tradition wurde fortgesetzt.“
(Brief von Joseph Kolb, Neffe von Moritz Drill aus Laa, 23. 4. 1993)
„Vor dem Krieg wurde bei uns ein koscherer Haushalt geführt. Ob das Fleisch koscher geschlachtet war, weiß ich nicht. Die Speisevorschriften wurden eingehalten und für Pessach gab es extra Geschirr. Im Laufe der Jahre hat sich das gelockert. Mein Vater hat allerdings kein Schweinefleisch gegessen. Meine Tochter trennt milchig und fleischig und kocht kein Schweinefleisch. Ich mache in den letzten Jahren weniger Schweinernes (auch wegen Cholesterin und Kalorien), mische aber milchig und fleischig. Pessach halten wir die Speisevorschriften ein, haben aber unser normales Geschirr.“
(Brief von Kitty Drill, 5. 4. 1993)
„Die Speisegesetze wurden in meiner Familie nicht eingehalten. Ich glaube, daß die Hauser Familie seit Josef Hauser die Speisegesetze nicht einhielt, aber daß die Jokel Familie sie einhielt. Es ist nennenswert, daß viele „emanzipierte“ Juden die Speisegesetze nicht einhielten. Das bedeutet aber nicht eine Entfremdung vom Judentum in kulturellen Sinne.“
(Brief von Dr. Felix Yokel, 8. 11. 1993)
5) Friedhof
Ein eigener jüdischer Friedhof ist deshalb wichtig, weil ein jüdisches Grab für alle Zeiten bestehen bleiben muss, um die Auferstehung des Begrabenen sicherzustellen. Im christlichen Glauben ist dies nicht im gleichen Maße nötig, Gräber fallen an die Gemeinde zurück, wenn man nicht weiter für sie bezahlt. So haben jüdische Gemeinden überall auf der Welt auch ihre eigenen Friedhöfe. Friedhöfe sind es auch, die heute als Denkmal der früheren Weinviertler jüdischen Gemeinden zurückgeblieben sind – in Bad Pirawarth, Dürnkrut, Gänserndorf, Gross Enzersdorf, Hohenau, Hollabrunn, Mistelbach und Stockerau. Genauere Informationen darüber, wo die jüdischen Laaer begraben wurden sind im Abschnitt „Friedhöfe“ nachzulesen.